Unsere Führungsreihe – Teil 4
Wenn von Führung die Rede ist, gehen die Ansichten unter Führungskräften weit auseinander. Von Einigkeit ist keine Spur. Im Gegenteil: Die Extreme existieren weiterhin. Die Hardliner führen nach klassischem Muster. Mit harter Hand. Von oben nach unten. Ohne Kompromisse. Ein Modell, das allem Anschein nach jedoch an Attraktivität und Zustimmung verliert. Denn die Zeiten ändern sich und mit ihr auch der Umgang mit Mitarbeitern. Es scheint, als verlange Führung den Führenden zunehmend mehr ab.
Wir von proJob wollten es genauer wissen und haben uns deshalb auf eine ungewisse Reise begeben, um mehr über Führung und die Menschen dahinter zu erfahren. Wie sie verstanden und gelebt wird. Wie wird Führung im Jahr 2020 interpretiert? Macht Führen eigentlich Spaß? Wieso ist Führung ein Erfolgsfaktor? Fragen über Fragen. Mit teilweise verblüffenden Antworten. In loser Folge bitten wir Führungskräfte zum Gespräch und fragen nach. Es könnte spannend werden. Begleiten Sie uns einfach.
Folge 4: Stefan Ruthenbeck, Cheftrainer der U19 des 1. FC Köln
Herr Ruthenbeck, wann haben Sie Führung das erste Mal bewusst wahrgenommen?
In meinem Berufsleben, vor meiner Zeit als Fußball-Lehrer. Ich habe eine Produktionsabteilung in der Farbindustrie mitgeleitet und habe da meine Erfahrungen gesammelt. Ich hatte Mitarbeiter mit unterschiedlichem kulturellem und sozialem Background, motivierte und weniger motivierte Kollegen. Genau da wurde mir bewusst, dass Führung in den unterschiedlichsten Facetten benutzt werden muss, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Im Fußball hatte ich hier meine Erfahrungen als Trainer in der höchsten Amateurklasse. Ständig Spieler begeistern für eine Idee und trotzdem eine gewisse Autorität an den Tag zu legen war meine tägliche Aufgabe. Geld als Motivation oder Druckmittel gab es hier nicht.
Welche Erinnerungen kommen da in Ihnen hoch?
In den Mitarbeitergesprächen war auffällig, dass das Geforderte mit dem tatsächlich Erbrachten nicht immer im Einklang war. D.h. der Empfänger hat die gestellten Aufgaben anders interpretiert wie gefordert. Ich bin mal als Trainer eingestellt worden, weil man sich jemanden wünschte der nah an der Mannschaft ist. Das Paradoxe war, dass dies der Grund war, warum man mich dann freigestellt hatte.
Heute führen Sie selbst. Wieso?
Führung ist ein wichtiger Bestandteil eines Cheftrainers. Ich habe die Verantwortung für meine Spieler und meines Staffs. Schlussendlich wird der sportliche Erfolg an dem Cheftrainer gemessen.
Hat sich die Form der Führung verändert, ist sie womöglich schwieriger geworden?
Ja, die Menschen wollen mitgenommen werden. Sie wollen wissen warum wir diesen oder einen anderen Weg gehen. Genau deswegen ist Kommunikation, aus meiner Perspektive, ein wichtiger Bestandteil einer guten Führungskompetenz.
Welche Kernkompetenzen erfordert Führung. Für Sie als Trainer und Ihre Spieler?
Überzeugende Kommunikation, Vorbild sein, fair sein (Ehrlichkeit), Glaubwürdigkeit, kreativ Probleme lösen und keine Angst Entscheidungen zu treffen.
Als Fußballlehrer sind Sie schon einer bunten Klientel begegnet. Vom durchschnittlich begabten Teenager bis zum hochbezahlten Fußballprofi war schon alles dabei. Welche Auswirkungen hat das auf Ihren Führungsstil?
Zuerst einmal ist mein Grundsatz immer authentisch zu sein. Ja, man arbeitet mit unterschiedlichen Charakteren zusammen und natürlich benötigen die einzelnen Spieler nicht immer die gleiche Ansprache. Man muss sich immer wieder mit dem Einzelnen beschäftigen.
Ist Führung gar ein sehr individueller Prozess. Für jeden maßgeschneidert?
Es gibt Spieler, die brauchen eine enge Begleitung und andere weniger. Der Prozess ist individuell, aber nicht jeder braucht die gleiche Aufmerksamkeit.
In der öffentlichen Wahrnehmung herrscht die Meinung, dass Führung mit der Höhe des Kontostandes des jeweils Geführten nicht leichter wird. Wie ist Ihre Erfahrung?
Geld kann natürlich als Druckmittel helfen. Wenn man als Trainer eine Mannschaft nicht für ein Ziel begeistern kann, dann hilft auch das Geld nicht. Spieler wollen eine Idee oder eine Vision vorgelebt bekommen. Sie haben ein feines Gespür dafür, ob das nur heiße Luft ist oder dahinter ein Plan steht.
Gibt es Tage, an denen Sie die Art Ihrer Führung selbst hinterfragen?
Ein ständiges Reflektieren gehört zu meiner täglichen Arbeit. Wie war das Vier-Augen-Gespräch mit Spieler x? War meine Ansprache vor dem Spiel die Richtige? usw. Immer wieder neu zu bewerten, ist für mich ein wichtiger Faktor, sich zu einem guten Trainer zu entwickeln.
Der Tabellenstand spiegelt die Leistung wider. Ist gute Führung messbar?
Führung ist objektiv schwer messbar, spiegelt sich jedoch in vielen Sachverhalten wider. Wie zufrieden wirkt die Mannschaft mit dem, was ich vorlebe? Wie ist die Stimmung auf und neben dem Platz? Wie verhalten sich die Spieler bei Erfolgen und Misserfolgen? Und auch der Tabellenplatz kann, zumindest langfristig betrachtet, ein Resultat der Führung darstellen. Es gibt etliche Beispiele, bei denen qualitativ unterlegende Mannschaften tabellarisch besser abschneiden, weil durch gute Führung der Teamzusammenhalt den Qualitäten der einzelnen Spieler überwiegt.
Aktuell bereiten Sie die 17- bis 19-Jährigen des 1. FC Köln auf eine mögliche Profilaufbahn vor. Mit einer Reihe Hochbegabter. Eine dankbare Zielgruppe oder anders gefragt: Macht das Führen leichter?
Ich denke schon!! Die Spieler haben erstmal ein übergeordnetes Ziel, sie wollen Profi-Fußballer werden. Diesem Ziel wird vieles untergeordnet und seltener hinterfragt. Der Führungsstil ist hier auch ein anderer: klare Regeln und trotzdem begleitend. Vertrauen zu haben ist die Basis dafür sich als junger Spieler zu entwickeln.
Führungsspieler sind so etwas wie der verlängerte Arm des Trainers. Was zeichnet diese Charaktere aus?
Hohe Wertschätzung innerhalb der Mannschaft, er geht als Vorbild voraus. Dieser Spieler kann einen mitreißen, er übernimmt Verantwortung in schwierigen Situationen. Seine Körpersprache ist extrem positiv. Er fordert in jeder Drucksituation den Ball.
In der Ausbildung dieser Nachwuchsspieler hat die Entwicklung und das Heranführen an höhere Aufgaben oberste Priorität. Sportlich betrachtet macht Individualität den Unterschied. Muss es da nicht eine führungsfreie Zone geben?
Nein. Auch Spieler, die den Unterschied machen brauchen klare Regeln. Sie brauchen ein Gerüst, wo sie sich wohlfühlen, aber auch austoben können, ohne an Kreativität zu verlieren.
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