Unsere Führungsreihe – Teil 2
Wie wird Führung in unterschiedlichen Kontexten verstanden und gelebt?
Wenn von Führung die Rede ist, begegnen uns in unseren unterschiedlichen Besetzungs- und Beratungsmandaten die unterschiedlichsten Führungsverständnisse und ‑realitäten.
Erwartungen bzw. Ansprüche und Wirklichkeit gehen bei den Führungskräften gelegentlich weit auseinander. „Gute Führung“ wird allerdings nach Einschätzung aller Beteiligten gerade in diesen bewegten Zeiten immer wichtiger und steht auch in unserer Wahrnehmung bei den Mitarbeitern immer mehr im Fokus. Es scheint, als verlange Führung den Führenden zunehmend mehr ab.
Wir von proJob wollten es genauer wissen und haben uns deshalb auf eine ungewisse Reise begeben, um mehr über Führung und die Menschen dahinter zu erfahren. Auch in Kontexten, die zunächst nicht unbedingt mit Führung in Verbindung gebracht werden. Was genau macht Führung aus? Kann Führen auch Spaß machen? Wieso ist Führung ein Erfolgsfaktor? Fragen über Fragen. Mit teilweise verblüffenden Antworten. In loser Folge bitten wir Führungskräfte oder Experten zum Thema Führung aus unserem Netzwerk zum Gespräch und fragen nach. Es könnte spannend werden. Begleiten Sie uns einfach.
Folge 2: Götz Peter Ander, Industrie, MSSC AHLE GmbH, Lindlar
Die zweite Folge unserer Führungsserie entstand den aktuellen Umständen entsprechend digital, per „E-Mail-Interview“. Die aktuelle Situation war auch Themengeber dieser Folge, in der wir auf die Frage „Führung in der Krise“ blicken. Unsere Fragen hat uns Herr Götz Peter Ander, der Geschäftsführer von MSSC AHLE, beantwortet.
Seit Gründung des Unternehmens im Jahre 1904 beruht der Erfolg von MSSC AHLE auf seiner hohen Flexibilität. 114 Jahre war das oberbergische Traditionsunternehmen davon in Familienhand, ehe die Mitsubishi Steel Manufacturing AG die Hoheit übernahm. Die Führung in Deutschland obliegt weiterhin Götz Peter Ander. Die durch das SARS-CoV-2-Virus ausgelöste, weltumspannende Krise in einem noch nicht gekannten Ausmaß ist auch für ihn Neuland. Man wird den Eindruck nicht los, dass trotz fortschreitender Technologisierung die Probleme der Menschheit eher größer werden.
Mit Ihren weltweit nachgefragten Federn liefern Sie Lösungen für Fahrzeuge im Gelände, auf der Straße und Schiene. Sie gehören zu den Hidden Champions. Innovationen gehören zu Ihrem Tagesgeschäft. „Wir machen’s einfach“ lautet Ihr Lösungsansatz. Klingt simpel. Wie meistern Sie die aktuelle Krise?
Götz Peter Ander: Auch dabei hilft unser Lösungsansatz. Wir sind als immer noch kleines Unternehmen auch weiterhin in der Lage, flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Und diese verändern sich leider im Moment täglich.
Prioritäten und Gewichtung haben sich in den vergangenen Tagen sicher gravierend verschoben. Inwieweit hat sich in diesem Ausnahmezustand auch Ihr Tagesablauf verändert?
Götz Peter Ander: Total. Wir halten alle Meetings nur noch per Webmeeting ab – in unserer Verwaltung gibt es nur noch eine Not Vor-Ort-Besetzung – alle anderen arbeiten von Zuhause. Dass in dieser Situation mehr oder weniger nur das System aufrechterhalten werden kann, ist dabei logisch für mich und das bestimmt natürlich auch den Ablauf. Aber ich sehe es auch als Chance, sich mit anderen Arten des Arbeitens auseinander zu setzen. Ich glaube, der Digitalisierung wird diese Situation einen Schub geben.
Sie stehen uns trotz dieser bisher noch nie dagewesenen und damit beispiellosen Situation für dieses Interview zur Verfügung. Was ist Ihre Motivation?
Götz Peter Ander: Sie haben mich sehr nett gefragt und ich denke, es kann nicht schaden, auch in einer solchen Situation einmal aufzuschreiben was so passiert – und wenn man dann die Chance bekommt, es zu veröffentlichen und vielleicht auch branchenfremden Lesern mal einen Einblick zu geben – warum nicht?
Die Folgen des SARS-CoV-2-Virus betreffen alle. Haben Sie ein Inhouse-Krisenkabinett? Gibt es einen Austausch unter Führungskräften?
Götz Peter Ander: Also den Austausch gibt es natürlich sowieso täglich. Derzeit geht es in unseren morgendlichen Runden halt zu 95% darum, was wir in die Wege leiten müssen, um noch besser aufgestellt zu sein.
Das Thema Homeoffice ist omnipräsent. Hat sich die Präsenzkultur in den Betrieben bald überholt?
Götz Peter Ander: Wie ich oben bereits geschrieben habe, glaube ich, dass die aktuelle Situation der Digitalisierung einen Schub geben wird. Jeder kann jetzt live sehen, was geht und was nicht geht und muss sich auch mit dem notwendigen Ernst diesen Themen widmen und es nicht als Zukunftsprojekt ansehen.
Die Irrungen nahezu aller Beteiligten rund um die Entwicklung und Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus haben so ziemlich alle Entscheidungsträger an ihre Grenzen geführt. Wie kann es sein, dass hochentwickelte Industrienationen keinen Masterplan in der Schublade haben?
Götz Peter Ander: Wie viele Szenarien soll ein solcher Masterplan denn abdecken? Ich glaube, dass wir mit unserem Risikomanagement und allen anderen Managementsystemen und Notfallplänen schon sehr gut aufgestellt sind, um im Zweifel auch sehr schnell die Engpässe zu erkennen, aber wenn ein Angreifer plötzlich aus dem Nichts auftaucht und keiner weiß wie und mit welchen Konsequenzen er zuschlägt, dann kann man dafür keinen Masterplan haben – glaube ich. Ich finde im Übrigen, dass die Notfallpläne unserer Regierung bislang sehr gut funktionieren. Ich sehe nur leider das Ende der Krise noch nicht.
Die Welt verändert sich rasant schnell. Die einzige Konstante ist die Ungewissheit. Was macht das mit Ihnen als Führungskraft?
Götz Peter Ander: Manchmal denke ich schon, dass mal eine Zeit lang ruhiges Fahrwasser ganz nett wäre – andererseits bin ich eher so gelagert, dass ich Herausforderungen gerne annehme. Ich mache mir auch gerne Gedanken zu neuen Situationen und habe bislang auch immer Lösungen gefunden. Und das werde ich auch weiterhin beibehalten.
Welche Führungskompetenzen sind Ihrer Meinung nach anhand der aktuellen Erfahrungen gerade jetzt besonders wichtig?
Götz Peter Ander: Das ist eine wirklich gute Frage – wie bereits gesagt, bin ich ein positiver Mensch, der sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lässt und auch jetzt zuversichtlich in die Zukunft blickt. Ich bin davon überzeugt, dass sich das ebenso auf die Mitarbeiter überträgt. Darüber hinaus muss man das ein oder andere einfach auch mal ausprobieren. Sei es Videokonferenzen oder neue Kollaborationstools. Außerdem ist die generelle Kommunikation mit den Mitarbeitern jetzt wichtig, aber auch gleichzeitig schwierig, da viele persönliche Gespräche im Moment wegfallen.
Die gegenwärtige Situation ist ohne Präzedenzfall: Da wird Hilfe dringend benötigt. Wer unterstützt Sie in dieser schwierigen Phase. Auf welche Ressourcen greifen Sie zurück und wer sind Ihre wertvollsten Unterstützer und wichtigsten Ratgeber?
Götz Peter Ander: Grundsätzlich ist es für mich erstmal eine Krise, wie wir sie z.B. aus 2009 bereits kennen. Wir achten auf unsere Finanzzahlen, machen Worst-Case- Szenarien, um nicht überrascht zu werden und leiten die angemessenen Maßnahmen ein.
Das Pandemiethema ist neu. Hier informieren wir uns bei den Verbänden und Institutionen, wie der IHK, dem Arbeitgeberverband oder unserem Fachverband dem VDFI (Verband der deutschen Federnindustrie), die ganz hervorragende Arbeit leisten die Unternehmen auf dem Laufenden zu halten. Darüber hinaus nutze ich natürlich auch mein persönliches Netzwerk und tausche mich mit anderen Führungskräften zu diesem Thema aus. Ich habe in letzter Zeit sehr viele Videos im Internet angesehen – auch hier gibt es eine Vielzahl an interessanten Denkanstößen. Dazu kommt, dass wir natürlich mit unseren japanischen Kollegen in ständigem Kontakt sind und uns auch dort austauschen, was für Maßnahmen gerade in Japan oder den USA umgesetzt werden. Sie sehen, es gibt eine Vielzahl an Informationsquellen – die Herausforderung ist allerdings, die guten Informationen zu erkennen und umzusetzen.
Das globale Miteinander birgt auch Risiken, wie wir gerade sehen. Es gibt Experten, die favorisieren eine Rückbesinnung zu mehr Regionalität. Wie stehen Sie dazu?
Götz Peter Ander: Ich hatte in den letzten Jahren schon den Eindruck, dass die Globalisierungseuphorie ein Stück weit gebremst ist. Brexit, America First und andere Dinge haben sicherlich dazu geführt. Andererseits haben wir uns natürlich auch mit den positiven Dingen der Globalisierung angefreundet. Wer hätte schon gedacht, dass Deutschland nochmal in Europa Grenzen schließen würde. Für uns als rein deutsches Unternehmen hätte ich nichts gegen mehr Regionalität. Für unsere Unternehmensgruppe sieht das natürlich anders aus.
Als Führungskraft haben Sie nicht zuletzt auch Vorbild- und Autoritätsfunktion. An allen Fronten ist Ihr Wort gefragt. Wie gelingt es Ihnen in dieser schwierigen Zeit, Klarheit und Souveränität zu bewahren?
Götz Peter Ander: Ich versuche, Ruhe zu bewahren. In Panik zu verfallen hilft ja niemandem weiter. Und wir versuchen, so viel wie möglich mit den Mitarbeitern zumindest über Aushänge etc. zu kommunizieren, wenn es im Moment schon persönlich nur sehr eingeschränkt geht. Außerdem ist unser gesamter Führungskreis mit einer Ausnahme noch an Bord – sprich nicht im Home-Office – ich bin mir sicher, dass das auch ein klares Signal an die Belegschaft ist, dass wir sie nicht im Stich lassen, was auch bei der Belegschaft ankommt!
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