Unsere Führungsreihe – Teil 6

Fuehrungskraft Silvia Kaiser Koenen

Wenn von Führung die Rede ist, gehen die Ansichten unter Führungskräften weit auseinander. Von Einigkeit ist keine Spur. Im Gegenteil: Die Extreme existieren weiterhin. Die Hardliner führen nach klassischem Muster. Mit harter Hand. Von oben nach unten. Ohne Kompromisse. Ein Modell, das allem Anschein nach jedoch an Attraktivität und Zustimmung verliert. Denn die Zeiten ändern sich und mit ihr auch der Umgang mit Mitarbeitern. Es scheint, als verlange Führung den Führenden zunehmend mehr ab.

Wir von proJob wollten es genauer wissen und haben uns deshalb auf eine ungewisse Reise begeben, um mehr über Führung und die Menschen dahinter zu erfahren. Wie sie verstanden und gelebt wird. Wie wird Führung im Jahr 2022 interpretiert? Macht Führen eigentlich Spaß? Wieso ist Führung ein Erfolgsfaktor? Fragen über Fragen. Mit teilweise verblüffenden Antworten. In loser Folge bitten wir Führungskräfte zum Gespräch und fragen nach. Es könnte spannend werden. Begleiten Sie uns einfach.

Folge 6 – Führen aus Sicht einer weiblichen Führungskraft in der Automobilindustrie.

Silvia Kaiser-Könen, Führungskraft bei MSX International.
Was bedeutet für Sie Führung und was sind die, für Sie relevantesten drei Aspekte für gute Führung?

In erster Linie gibt es selbstverständlich einen Job zu erledigen, also die erfolgreiche Erfüllung unserer Aufgabe. Doch an erster Stelle steht unser Team, denn unsere Aufgabe kann nicht erfüllt werden, wenn das Team nicht in einem Zustand ist, in dem es das auch leisten kann. Eine weitere zentrale Aufgabe ist das Vermitteln von Werten. Ich möchte meinem Team zeigen, wie man fair und ehrlich miteinander umgeht, aufeinander zugeht, eine freundliche und konstruktive Zusammenarbeit gestaltet und seine Anforderungen durchsetzt. Mit Empathie möchte ich einen guten Zugang zu meinen Mitarbeitern finden und halten.


Welche Herausforderungen bringt die Rolle für Sie als Frau in einer Führungsposition in der Automobilindustrie im IT-Umfeld mit sich?

Dies sind zwei Bereiche, welche man eher einem Mann zuordnen würde. In meiner Rolle als Projektmanagerin muss ich allerdings fachlich gar nicht tief in diesen Thematiken drin sein. Die Führungsrolle an sich fordert mich schon. Es ist nach wie vor so, dass man als Frau in diesem Bereich besonders zeigen muss, was man kann. Vorurteile sind nach wie vor da, jedoch erlebe ich es in deutlich geringerem Maße als erwartet. Mir wird der erforderliche Respekt entgegengebracht. Und ganz klar: Wir brauchen beide Geschlechter mit beiden Kompetenzbereichen. Die männliche Seite, beispielsweise mit einer eventuell stärkeren Durchsetzungskraft sowie die weibliche Seite, mit einer generellen Affinität für das Soziale.


Welchen Anspruch stellt das Führen eines internationalen Teams mit unterschiedlich kulturellen Hintergründen an Ihre Führungsrolle?

Wenn man dafür sorgen möchte, Menschen aus unterschiedlichen Nationalitäten, Altersgruppen und mit verschiedenen Hintergründen zusammen zu bringen, ist es für mich essenziell, jede Meinung und Vorstellung von dem was richtig ist zu respektieren. Ziel ist es, mit einer respektvollen Haltung Einigkeit zu finden und gemeinsam eine Entscheidung zu erarbeiten und zu treffen.


Können Sie sich an Momente erinnern, in welchen Ihre Führung überhaupt nicht funktioniert hat und wie sind Sie damit umgegangen?

Ja. Ich bin ursprünglich davon ausgegangen, dass meine Mitarbeiter mit ihren Anliegen selbstständig auf mich zukommen. Folglich hat dies dazu geführt, dass ein Mitarbeiter nicht glücklich war in seiner Situation und ich es nicht erkannt habe. Daraus habe ich gelernt, selbst proaktiv und wachsam zu sein und regelmäßig zu überprüfen, ob sich mein Team wohlfühlt. Ein wertvoller Hinweis, der mir gegeben wurde: Wenn Du das Gefühl hast, nicht mehr zurechtzukommen, geh nicht tiefer ins Thema rein, um noch mehr Kleinigkeiten zu verstehen, sondern mache einen Schritt zurück und betrachte die Sache mit mehr Distanz. Zudem habe ich gelernt, ein gesundes, ausgewogenes Maß an Freundlichkeit, Herzlichkeit und Autorität in meinem Führungsstil zu leben.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben und was ist daran für Sie essenziell für eine erfolgreiche Führung?

Ich sehe mich für mein Team als eine Begleitung bzw. Unterstützung. Es ist meine Aufgabe, ihm alles zur Verfügung zu stellen, was es benötigt, um den Job gut und richtig zu machen und die bestmögliche Leistung erbringen zu können. Ich überprüfe regelmäßig, ob wir noch auf dem richtigen Weg- und im richtigen Tempo gehen. Es ist mein Ziel, so wenig Vorgaben wie möglich geben zu müssen. Das erreiche ich u.a. durch einen Daily Huddle mit meinen Mitarbeitern.

Wie organisieren Sie Ihre Führung genau?

Ich blicke an erster Stelle auf mein Team, dass meine Mitarbeiter sich in einer guten Position befinden, anschließend betrachte ich die Aufgaben. Führen heißt für mich Menschen zusammenbringen und das funktioniert über regelmäßigen Kontakt.


Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viel Prozent Ihrer Arbeit Sie konkret in die Aufgabe Führung investieren?

Nach einem Blick in meinen Outlook Kalender und meinen Terminen nach zu beurteilen sind es definitiv über 60%. Dennoch bin ich in einigen Themen, die mich besonders interessieren auch noch operativ und mit Herzblut involviert.


Wie kommen Sie als Führungskraft mit dem stetig steigenden Anspruch an Führung zurecht?

Wir sollten unbedingt die Anforderungen unserer Mitarbeiter kennenlernen. Besonders jüngere Mitarbeiter haben heute andere Wertvorstellungen als Mitarbeiter fortgeschritteneren Alters. Die Wertschätzung ihrer Arbeit und ein empathisches Miteinander haben sich als besonders wichtige Werte herauskristallisiert.
Abschließend möchte ich gerne noch sagen: Mut wird immer belohnt und es schadet nie, mit einer gesunden Portion Humor dem Leben zu begegnen.